Wenn Du denkst, der Dokumentarfilm Smoke, Sauna, Sisterhood ist ein unterhaltsames Buddy-Movie, dann liegst Du nicht ganz richtig. Dennoch lohnt ein Besuch im Kino, denn neben der klassischen estnischen Rauchsauna, die tatsächlich UNESCO Kulturerbe-Status erlangt hat, lernst Du ganz unterschiedliche Vertreterinnen des Landes kennen.
Sieben Jahre lang hat Regisseurin Anna Hints für ihren Film Frauen in die Sauna begleitet und davon ein Jahr den Dreharbeiten gewidmet. Die 41jährige stammt selbst aus dem Südosten Estlands, wo die Tradition der Rauchsaunen noch sehr lebendig ist. Diese Saunen sind Orte, an denen Frauen Heilung finden. In früheren Zeiten wurden dort auch Kinder geboren und Totenwaschungen durchgeführt. Die Idee zum Film entstand 2015, als sie mit ihrer Mutter in einem buddhistischen Kloster weilte, um ihre Beziehung zu verbessern. Nach fast drei Wochen kompletter Stille fand Hints ihre eigene Stimme und erkannte, wie wichtig es für den Heilungsprozess ist, seine Erfahrungen und Geschichten zu teilen.
Dies ist nun auch den Protagonistinnen gemein. Das Schmutzige rauszulassen und ,Ängste abzusteifen, zuzuhören und sich mitzuteilen, gestaltet sich von größter Bedeutung. Denn jede der Frauen hat ein schweres Paket zu tragen. Sei es eine illegale Abtreibung mit 16, initiiert in Finnland. Oder Gewalt in der Ehe der Großeltern, in der sich der Opa nicht zimperlich zeigte, andere Schürzen zu jagen und dem Alkohol zu frönen. Auch das Outing einer der Saunierenden zur Lesbe wurde in ihrer Familie zum massiven Problem. Wiederum eine weitere erfuhr keinerlei Anerkennung durch die Mutter, ständig wurde ihr vorgehalten, sie sei hässlich. Alle Estinnen sprechen sehr offen über ihre teils traumatischen Lebensereignisse. Hints filmt die nackten Körper sehr diskret, aber ohne Zurückhaltung und voyeuristischen Blick und hüllt sie in ein schmeichelhaftes Licht. Dazu gesellen sich schamanistisch anmutende Sprechgesänge der Frauen, die die Saunagänge als eine Art Gruppentherapie nutzen. Besonders erstaunlich oder auch erschreckend ist der Einblick in die estnische Gesellschaft, den Du erhältst. Denn manchmal fühlt man sich in die 60er, 70er zurückversetzt und glaubt, sich nicht in der heutigen Zeit zu befinden, die hier im Rauch düstere Abgründe auftut. Versöhnlich stimmt die Gemeinschaft. die entstehen kann, solange ein gemeinsamer Raum zur Verfügung steht.
Auf dem Sundance Film Festival erhielt Anna Hints übrigens 2023 den Preis für die Beste Regie in der Reihe
World Cinema Documentary.
Hier kannst Du Dir vorab den Trailer anschauen.
CREW
Buch und Regie: Anna Hints
Kamera: Ants Tammik
Schnitt. Hendrik Mägar, Tushar Prakash, Qutaiba Barhamji, Martin Männik, Anna Hints
Musik: Eðvarð Egilsson
LÄNGE: 89 min
Läuft in folgenden KINOS
Krokodil, Greifenhagener Str. 32, Prenzlauer Berg
Mi, 10.01.24 – 21.15 Uhr
Do, 11.01.24 – 20.10 Uhr
Sa, 13.1.24, + So, 14.1., 14.20 Uhr
Mo, 15.01.24, 21.10 Uhr
Die, 16.01.24+ Mi 17.01. ,18 Uhr
ACUD, Veteranenstr. 21, Mitte
Fr, 12.01.24 16.45
Sa, 13.01.24 20.15
Mo, 15.01.24 19.00
Di, 16.01.24 17.00
Tilsiter-Lichtspiele
Richard-Sorge-Str. 25 a, Friedrichshais
Mi, 10.01.24 -Mi, 17.01.24 jeweils 18 Uhr
Moviemento, Kottbusser Damm 22, Kreuzberg
Sa, 13.01.24 – 18.30 Uhr
Passage, Karl-Marx-Str. 131-133, Neukölln
Do, 11.01.24, Sa, 13.1., So, 14.1., Die, 16.1., jeweils 14.45 Uhr
Nicht unpassend zum Film eröffnet im Felleshus die Ausstellung: „Die Sauna. Echt heiß. Echt finnisch.“
Und zwar am Do, 25. Januar, 18 Uhr