Delphi mit Filmplakat "Therapie für Wikinger" (Foto: AS)
Delphi mit Filmplakat "Therapie für Wikinger" (Foto: Anne Schüchner)

Bruderzwist auf Dänisch

Der Däne Anders Thomas Jensen ist auch hierzulande kein unbeschriebenes Blatt mehr. Überzeugte der Regisseur doch 2020 mit „Helden der Wahrscheinlichkeit„, fünf Jahre zuvor mit Men & Chicken oder mit Adams Äpfel aus dem Jahr 2005 – den meisten Kinogängern garantiert geläufig. Alle Filme vereint nicht nur sein tiefgründiger Humor, sondern auch, dass Superstar Mads Mikkelsen noch immer zur Stammbesetzung Jensens skurriler Arbeiten gehört.

Nun wartet der 53-jährige mit einer neuen schwarze Komödie auf, die den Titel Therapie für Wikinger trägt. Ein bisschen fühlte ich mich an Adams Äpfel erinnert, in dem Alkoholiker Gunnar, Tankstellenräuber Khalid und Neonazi-Anführer Adam auftauchten. Hier sind es Patienten mit psychischer Störung und ähnlich gelagerten Persönlichkeitsstrukturen, die Du aber schnell in Dein Herz schließt.

Doch eigentlich geht es um zwei Brüder (ja, auch Jensen selbst hat einen) und ihr nicht unproblematisches Verhältnis zueinander. Der eine – Anker – wird nach 15 Jahren wegen Bankraubs aus dem Knast entlassen. Das erbeutete Geld hatte damals sein jüngerer Bruder Manfred auf Ankers Geheiß vergraben und dient nun im Hintergrund dazu, dass die Brüder zusammenbleiben müssen. Manfred leidet seit seiner Kindheit an einer Identitätsstörung, ein Trauma, das ihn in eine andere Welt fliehen und ihn ein vermeintliches Wikingerdasein führen lässt. Er lebt bei der überforderten Schwester Freja. Selbstredend kann sich an nichts mehr erinnern. Anker reist mit ihm nun voller Ungeduld zurück in das gemeinsame Elternhaus im Wald, um die Million zu finden. Die Harry-Potter stylsihe Villa wird inzwischen über Airbnb von einem erfolglosen Paar – er Modedesigner, sie Model – vermietet. Friendly Flemming, der damalige Komplize Ankers ist ihnen jedoch auf den Fersen und scharf auf die Kohle. Dafür schreckt der Brutalo vor rein gar nichts zurück. Und soviel sei verraten: Es wird ziemlich gewalttätig und blutig.

In Jensens genresprengenden Filmen spielte Mikkelsen ja schon oft Figuren, die sich auf dem schmalen Grat zwischen Normalität und Wahnsinn bewegen. Hier verkörpert er nun mit einer genialen Mimik den Verrückten, man kauft ihm jeden noch so spontanen Selbstmordversuch ab. Er gehört zweifelsohne zu einer der vielseitigsten und unterhaltsamsten Charakterdarstellern des europäischen Kinos. Und eine noch so eigentümliche Maske kann dem charismatischen Dänen nichts anhaben, obgleich er mit Lockenkopf und Brille im 80er Design schon etwas gewöhnungsbedürftig daher kommt.

Ebenfalls herrlich lakonisch und überzeugend tritt Lars Brygmann in seiner Rolle als vermeintlicher Psychiotherapeut auf. Dessen Vater leitete die einzige IKEA-Filiale im Lande, die geschlossen werden musste. Der Film verbindet also nicht nur skandinavisches Kulturgut wie IKEA und ABBA mit den Mythen der Wikinger, sondern die aus Liverpool stammende britische Rock-Band der 1960er spielt auch noch eine wesentliche Rolle. Nach und nach werden längst verdrängte Erinnerungen wieder wach, und die drei Geschwister Freija, Anker und Manfred finden wieder zueinander. Kinoking Knut Elstermann sieht den Film als klassischen Weihnachtsfilm, denn zum Fest der Familie wird eben diese vereint und der Glaube an die Menschlichkeit gefeiert. Jensens Botschaft lautet: Nehmt Euch alle selbst nicht zu ernst!

Den an Überraschungsmomenten und Ideenreichtum überbordenden Film zu Identitäts- und Zueinanderfindung als auch Geschwisterliebe kannst Du Dir natürlich gerne zu den Festtagen anschauen. Und soviel sei gespoilert, es erwartet Dich ein kreativ-versöhnliches Ende.

KINOS und TERMINE:
Mi., 24.12.25
18.00 Uhr, Delphi LUX, Delphi Lux, Yva-Bogen, Kantstraße 10, Charlottenburg
20.30 Uhr, Hackesche Höfe Filmtheater, Rosenthaler Straße 40-41, Mitte
20.30 Uhr, Colosseum, Saal 2, Schönhauser Allee 123, Prenzlauer Berg
21.00 Uhr, Kino Central 2, Rosenthaler Str. 39, Mitte

Do., 25.12. – Di., 30.12.25
19.45 Uhr, Hackesche Höfe, Filmtheater, Rosenthaler Straße 40-41, Mitte
20 Uhr, Filmkunst 66, Saal 1, Bleibtreustr. 12, Charlottenburg

Mi., 31.12.25
15.30 Uhr, Hackesche Höfe Filmtheater, Rosenthaler Straße 40-41, Mitte
20.30 Uhr, Kino Central, Rosenthaler Str. 39, Mitte

Do., 08.01.26 – Di., 13.01.26
20.30 Uhr, Bali, Teltower Damm 33, Zehlendorf

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