AUS AKTUELLEM ANLASS: Fotograf Michael Ruetz, seit 1998 Mitglied der Akademie der Künste und von 2016 bis 2018 Stellvertretender Direktor der Sektion Film- und Medienkunst, ist am Montag, 2.Dezember 2024 gestorben. Deswegen lege ich Dir erneut ans Herz, die unten stehende, feinfühlige Doku anzusehen!
Ilijews überzeugt mit ihrem Porträt über einen Chronisten und Meister der deutschen Fotografie
Annett Ilijew hat in Babelsberg studiert. Ihr Abschlussfilm Facing time über die Arbeit von Michael Ruetz lief auf dem achtung berlin Festival. Ergänzend zur Ausstellung „Poesie der Zeit. Michael Ruetz – Timescapes 1966–2023, die am Mittwochabend in der Akademie der Künste eröffnet wird, hast Du nochmal Gelegenheit, die vielschichtige und liebenswerte Dokumentation zu sehen. Ilijew war besonders erfreut, dass ihr Film bei achtung berlin gezeigt wurde, weil es auch auch ein Film ist, der sich um Berliner Geschichte, um Berliner Identität dreht.
Sie begibt sich auf die Lebensreise des Fotografen Ruetz, geht zurück in die Zeit, und sie versucht, ihn anhand seiner unglaublicher Arbeiten zu schildern. Der inzwischen 84-jährige Meister der deutschen Fotografie hat Bilder geschaffen, die wir im Grunde alle kennen, nur vielleicht ohne zu wissen, dass er der Urheber war. Wie beispielsweise das wichtige Zeitdokument, als Beate Klarsfeld 1968 den Bundeskanzler Kiesinger auf dem CDU-Parteitag ohrfeigt. Ilijews Film zeigt die Inspiration und Arbeitsweise von Micheal Ruetz, man sieht genau, wie er mit der Kamera umgeht.
Es gibt zwei Kategorien von Fotos, seine frühen, auf denen die Westberliner 68er Bewegung, Kommune Eins, Rainer Langhans und Rudi Dutschke festgehalten sind. Genauso wie die Besuche von Beuys, sei es privat bei ihm zuhause oder lehrend in der Hochschule. Aber auch die Ostberliner Kultur: Jugendweihe, Erste Mai Feiern. Seine Ostberliner Bilder sind so schön, so intim, von innen heraus fotografiert wie bei beispielsweise bei Helga Paris.
Und dann gibt es die titelgebenden Time Scapes, da geht er seit 1966 immer wieder an den gleichen Ort und versucht, vom exakt gleichen Standort den aktuellen Fotoausschnitt zu machen, um zu zeigen, wie sich über Jahrzehnte ein Ort verändert. Besonders beindruckend auch seine Bilder von Auschwitz, die er als einer der allerersten Fotografen aus dem Westen aufnahm.
Man kommt Ruetz in den 83 Minuten persönlich sehr nah, er ist sehr wach, sehr neugierig und recht zurückgenommen. Erwähnenswert sei auch noch das tolle Sounddesign. Komponist Fabrizio Tentoni hat eigens einen Alu-Kontrabass und eine Glasorgel gebaut, um für die Auschwitz- und Beuys-Szenen spezielle Musik-Flächen zu erstellen.
Das gelungene Zeitporträt über Ruetz, den Meisters des Augenblicks, solltest Du Dir nicht entgehen lassen.
FILM:
Freitag, 10.5.24, 19.30 Uhr
im Babylon, Rosa-Luxemburg-Str. 30, Berlin-Mitte
nach dem Screening sind Regisseurin Annett Ilijew, Michael Ruetz und Beate Klarsfeld anwesend
Der Film läuft auch in der ARD Mediathek.
AUSSTELLUNG:
Poesie der Zeit. Michael Ruetz – Timescapes 1966–2023
Akademie der Künste, Pariser Platz 4, Berlin- Mitte
Laufzeit: vom 9.5. – 4.8.2024
Eröffnung: Mittwoch, 8.5.24, 19 Uhr