Loraine Blumenthal und ihr Team (Foto: AS)
Loraine Blumenthal ganz rechts mit ihrem Team (Foto: AS)

Remarque lässt grüßen

Okay, Im Osten was Neues ist ein Fußballfilm, ein Männerfilm und das Portrait eines außergewöhnlichen Trainers. Aber dennoch kannst Du Deine Freundin mit ins Kino nehmen. Nun der Reihe nach: Regisseurin Loraine Blumenthal hat mit ihrer Arbeit bereits den Dok-Filmpreis in Schwerin gewonnen. Zurecht. Denn ihr ist ein Film gelungen, der sich nicht nur um Eichi – mit bürgerlichem Namen Thomas Eichstätt – dreht, auf den sie in einem Artikel im Nordkurier stieß. Sondern auch um den FC Piu und die geflüchteten Teammitglieder.

Blumenthal selbst wuchs in in Mecklenburg Vorpommern auf und lebte dort in den 90ern. Nun, im Jahr 2025, hat die 42-jährige genug Abstand, um auf die Region zurückzuschauen und ihr Projekt dort anzusiedeln. Für den Film erwies sich als vorteilhaft, dass sie das Bundesland kannte und wusste, wie die Menschen dort ticken. Das war weitaus wichtiger als die eigenen rassistischen Erfahrungen, die sie als Tochter eines ghanaischen Vaters, in Berlin geboren, sammeln musste.

Hauptsächlich geht es natürlich um Männerfußball, aber auch das Thema Männlichkeit, das sich zunehmend wandelt, spielt eine Rolle. Eichi, kräftig, mit Glatze und Tattoos lebte früher in Neubrandenburg und war knallharter Nazi. Traf er auf einen Farbigen, kam der Spruch: „Geh nach Hause und wasch Dich!“ Dass er sich gegen die rechte Front entschied, hat er seiner Frau zu verdanken. In den 2000ern wurde sie schwanger und setzte ihm die Pistole auf die Brust: „Ich und das Baby oder Du, Deine Freunde und der Alkohol.“ Glücklicherweise traf er rechtzeitig auf diese tolle Frau, die für sein Leben enorm wichtig ist, ihm Halt und Festigkeit gibt. Gemeinsam ziehen sie weg und gehen nach Torgelow. Die Distanz zu seinen Kumpels verändert sein Saufverhalten, er kriegt allmählich einen klaren Kopf. Eichi, per se ein sensibler offener Mensch, stand eines Tages vor dem Jugendclub, und dachte, hier kann ich arbeiten. Daraus entstand nicht nur der Kontakt mit den Jugendlichen vorort, sondern seine Fußballmannschaft aus Torgelow, die sich vor allem aus Geflüchteten zusammensetzt. Auf dem Rasen sind die jungen Erwachsenen ganz im Hier und Jetzt. Jenseits des Spielfelds werden sie oft von der Sehnsucht nach Heimat und den Unsicherheiten ihres Alltags eingeholt.

Der Film umkreist nicht nur rassistische Gewalt, die in der Vergangenheit ausgeübt wurde, sondern auch Fluchterfahrungen, beides durchaus schwere Themen. Thomas kämpft um sein Bleiberecht für sich und seine Familie, während der 17-jährige Asad ohne Schulabschluss auf Jobsuche geht und mit der ihm entgegengebrachten Fremdenfeindlichkeit klar kommen muss. Die Regisseurin nimmt sich Zeit und transportiert durch den Fußball eine Leichtigkeit, so dass die schweren Themen anders umgeleitet werden. Sie will einen Perspektivwechsel hinkriegen: Auf der einen Seite Eichi über die Schulter gucken, wie er beispielsweise versucht, aus seinem Ehrenamt eine Festanstellung zu machen, auf der anderen Seite Asad und Thomas zu begleiten und mit ihnen auf Torgelow, auf den Fußball und natürlich auch auf Eichi zu gucken.

In der Schlüsselszene des Films hält Trainer Eichi eine kleine Rede vor seinem Team, das erschöpft dasitzt und kaum jemand zuhört, und er sich entschuldigt sich für seine Vergangenheit. Im Vorfeld der Arbeiten traf sich die Regisseurin mit Fabian Wichmann, der Neonazi-Aussteiger im Rahmen der Initiative Exit-Deutschland betreut. Er erklärte, dass es sich dabei immer um ein Prozess handele, der auch lebenslang dauern könne oder mit Rückfällen gespickt sei. Um so großartiger erscheint es, dass Eichi konsequent clean weitermacht, Rückschläge einsteckt und Schamgefühl zulässt.

Ohne zu viel spoilern zu wollen: Der Film hat etwas Beglückendes, weil Du Zeuge von Eichis Wandel wirst. Zwar erklärt dieser nie selbst den Punkt, an dem er sagt: Hier war Schluss, hier wollte ich kein Nazi mehr sein! Aber danach bringt er den Willen zur Veränderung auf, wird aktiv und arbeitet mit Geflüchteten, denen er ein Art Zuhause bietet. Fazit: Menschen können sich ändern. Die Doku beweist dies auf empathische und berührende Weise.

WANN?
A) Mi, 26.11.25, 16 Uhr
B) Do, 04.12.2025, 18 Uhr

WO?
A) Tilsiter 2, Richard-Sorge-Str. 25A, Friedrichshain
B) Kino im Zeiss-Großplanetarium -Prenzlauer Allee 80; Berlin Prenzlauer Berg


WIEVIEL?
A) 6 Euro
B) 9 Euro Eintritt, erm. 7 Euro

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