Mies van der Rohe Haus (Foto: Anne Schüchner)

Bill, Bauhaus und van der Rohe

Die perfekte Wochenendgestaltung liefert Dir eine Fahrt nach Hohenschönhausen, genauer gesagt an den Orankesee. Hier lässt sich auf wunderbare Weise Kultur mit Natur verbinden. Aber der Reihe nach.

Kürzlich verabschiedete sich die langjährige Leiterin, Wita Noack, des Mies van der Rohe Hauses in den Ruhestand. Aber nicht ohne Pauken und Trompeten, sondern mit der erhellenden Schau Max Bill und die Wirkungskraft der Bauhaus-Ideen. Und damit schlägt sie einen Bogen zu ihrer ersten, wichtigen Ausstellung Ende 1993, damals noch im unsanierten Gebäude. Diese trug den Titel max bill, dokumente und druckgrafik. Das einstige Landhaus des Ehepaars Martha und Karl – Haus Lemke – , nach Kriegsende enteignet, stammt zwar aus der Feder von Mies, wurde aber lange zweckmissbraucht: erst durch die sowjetische Besetzer, dann durch die Stasi und schließlich als Hausmeisterwohnung. Gut, dass Noack es schaffte, Gelder für die dringend nötige Sanierung zu mobilisieren. Zwischen 2000 und 2002 wurde das Haus samt Anwesen glücklicherweise in seinen Ursprungszustand zurückversetzt.

Die aktuelle Ausstellung ehrt nun nicht nur den 1908 in Winterthur geborenen Max Bill, sondern an seinem Beispiel wirst Du auch zu den Wurzeln der Moderne geführt. Im ersten Teil kannst Du Arbeiten des Schweizers aus Bauhauszeiten (er studierte hier 1927-1928 unter Kandinsky, Klee, Schlemmer u.a. ) entdecken, die noch figurativ daher kommen. Im zweiten Teil sind dann bisher unbekannte Aquarelle, Zeichnungen und Gouachen der frühen dreißiger Jahre zu sehen. Bills Arbeiten aus dieser Phase entsprechen der Zeit, in der das Haus Lemke entworfen und realisiert wurde. Architektur und Kunst gelangen nun vorort in einen wunderbaren Gleichklang. Im dritten Teil der Schau werden Arbeiten des Multitalents aus den 1930er bis späten 1950er Jahren präsentiert, worunter sich auch eine kleine Serie Triologie mit minimalistischen Arbeiten findet. Diese sind als Zinkografien – im Flachdruckverfahren, ähnlich der Lithografie – an der Hochschule für Gestaltung Ulm hergestellt. (Muss ich erwähnen, dass sich Bill sich als Erbauer und Rektor ebenjener Hochschule in die Geschichte einschrieb?) Du kannst die Monofarben Lila, Grün, Orange ausmachen, die jeweils den Platz wechseln. Durch den Einsatz dieser elementaren Formen nahm Bill quasi die Minimal Art der US-amerikanischen 60er Bewegung vorweg.

Den Höhepunkt der Ausstellung bildet der Entwurf für eine Wandmalerei mit großem ‚O‘. Dreieck, Kreis und Quadrat, die am Bauhaus verwendeten Grundformen, gehören zu stets wiederkehrenden Motiven im Oeuvre Bills. Hier bildet die O-Form die Komposition. Die flächige Arbeit scheint fast in die Wand integriert. Dabei handelt es sich natürlich um eine Reproduktion des Originals auf Pergamentpapier, die kleiner an der kurzen Wandseite zu begutachten ist. Das beeindruckend raumgreifende Werk wurde als Foto an die Wand projiziert und von einem Leipziger Bühnenmaler ausgestaltet. Er musste, wie ich mir sagen ließ, mehrere Anläufe nehmen, den Original-Blau-Ton zu treffen.

Zu meinen Favoriten gehören außerdem Die zwei Freundinnen in Raum 4. Das Portrait, auf dem Hilde Rantzsch und Katt Both zu entdecken sind, präsentiert auf überzeugende Weise die Modernität beider Bauhaus-Frauen: Rauchend, selbstbewusst und schön. Das Bild entstand 1927 und nimmt selbstredend Bezug auf Bills Zeiten am Bauhaus, die drei damaligen Schüler*innen waren eng befreundet.

Viel Vergnügen beim Erkunden, zur Ausstellung gibt es einen liebevollen Katalog, in dem auch Angela Thomas, die Lebenspartnerin und spätere Frau von Max Bill, zu Wort komm. Und falls Du Dein Wissen vertiefen willst, diesen käuflich erwerben kannst. Genieß den Besuch im letzten, vom großen Architekten Mies gebauten Privathaus‘, bevor dieser in die Staaten emigrierte. Unmerklich gestaltet sich sein Wechselspiel von außen und innen als Erlebnis für Körper, Seele und Geist. Möchtest Du das Gesehene verarbeiten, die Bezüge zu Kandinsky, Klee oder Arp in Gedanken durchgehen, bietet sich ein Spaziergang im gegenüberliegenden Obersee-Orankesee-Park mit fast ursprünglichem Baumbewuchs an. Sollte Dir nach alledem der Magen knurren, laden die Orankesee-Terrassen mit breiter Kulinarik zum Pausieren ein.

LOCATION
Mies van der Rohe Haus
Oberseestraße 60
13053 Berlin

Öffnungszeiten
Die-So 11-17 Uhr

LAUFZEIT
bis So., 17.8.2025

EINTRITT
frei, Spenden sind willkommen

Weiterführende Infos:
Max Bill wurde in die Künstlergruppe Abstraction Creation aufgenommen, die von 1931-1936 existierte.

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