Dass Politik und Verhandlungen nicht zwingend langweilig sein müssen, beweist die Doku von Arthur Franck. Er wirft in abwechlsungsreichen 89 Minuten einen Blick auf die historischen KSZE-Verhandlungen in Helsinki 1975, die nun ihr 50-jähriges Jubiläum begehen. Der Regisseur selbst wuchs in der Hauptstadt auf, nahe der Finlandia-Halle, Ort des Geschehens. Auf die Idee, den Film ausschließlich mit Archivmaterialien zu produzieren, kam der Finne, weil er schlicht und ergreifend keine Dreharbeiten wollte. Und den Titel klaut er sich kurzerhand bei Daniel C. Thomas, der über das selbe Thema 2001 ein Buch schrieb.
Der Film gliedert sich in 12 Kapitel und bietet einen faszinierenden Einblick in die Entstehung und Bedeutung der KSZE (Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa), die später zur OSZE wurde. Dabei setzt Franck ganz clever die KI ein, um mit Vertonungen von transkribierten Texten, Gesprächsprotokollen und Geheimdokumenten das damals Geschehene lebendig zu machen. Du kriegst also die vermeintliche Stimme von Ford, Breschnew, Kekkonen ebenso wie anderer großer Politiker zu hören. Der Plot ist aus Sicht des Regisseurs aufgezogen und wird von Bjarne Mädel, den Du spätestens seit Tatortreiniger kennst, ganz wunderbar persönlich erzählt. Franck bedient sich einer witzigen, teils surrealen Montage, in der Basketball auch eine Rolle spielt.
Der Sowjetunion unter Regierungschef Leonid Breschnew war bei der Konferenz vor allem die Grenzen des Ostblocks nach dem Zweiten Weltkrieg wichtig. Hingegen kämpften Westeuropa und die USA unter Gerald Ford und Henry Kissinger für Demokratie und Menschenrechte. Die Verhandlungen gestalteten sich zäh, mehrere Zusammentreffen von 1973 bis 1975 waren notwendig. Schließlich einigten sich die Staatschefs der 35 teilnehmenden Ländern auf einen Kompromiss. Dass Schmidt und Honecker nebeneinander sitzen, wo es doch alphabetisch nach Ländernamen zuging, ist einem Kniff zu verdanken, den Du selbstverständlich im Film auch erfährst.
Die KSZE in Europa wurde lange als diplomatische Schlacht ohne Bedeutung abgetan, aber rückblickend trug sie mit dazu bei, die Welt zu verändern. Denn durch Korb 3 (Du wirst im Film lernen, wie die Verteilung der Ideen in Körbe erfolgte), der den humanitären Aspekt beinhaltete, wurde schlussendlich der Zerfall der Sowjetunion und der Fall der Mauer ins Rollen gebracht.
Noch ein nettes Gimmick: Die Texte der KSZE-Schlussakte sollten dann auch fürs Volk publik gemacht und in Zeitungen veröffentlicht werden. Die russische Prawda am 1.August 1975 war restlos ausverkauft.
Dem 1980 geborenen Franck ist mit seiner Arbeit ein unterhaltsamer und vor allem aufschlussreicher Film gelungen. Er gibt auch Zeugnis darüber, warum die Welt am Ende so aussieht, wie sie aussieht. Die Fleißarbeit hat sich gelohnt – drei Jahre Vorbereitungszeit mit Materialsichtungen und Bücherstudium sind in eine Hommage an die Diplomatie gemündet. Die Doku verdeutlicht, wie wichtig der Dialog ist, um Lösungen für ein gemeinsames und friedliches Miteinander zu finden, heute mehr denn je.
KINOS + ZEITEN:
BALI Kino
Teltower Damm 33, Zehlendorf
So., 15.06.25 , 11.00 Uhr, im Anschluss q&a mit Stefan Kloos (Filmproduzent)
Zeiss-Großplanetarium
Prenzlauer Allee 80, Prenzlauer Berg
So, 15.06.25, 19.30 Uhr
Do., 19.06. + Mi 02.07. + Mi 30.07.25, je 16.00 Uhr
Mi., 25.06.2025, 15.50 Uhr
Mi-, 09.07.2025, 18.00 Uhr
IL Kino
Nansenstraße 22, Neukölln
Mo., 23.06, 21.30 Uhr
Sa., 28.06., 15.40 Uhr
So., 29.06., 15.00 Uhr
delphi LUX
Yva-Bogen/Kantstraße 10, Charlottenburg
Fr, 13.06. – Mi, 18.06. , je 13.40 Uhr
FAF
Bötzowstraße 1-5, Prenzlauer Berg
So, 15.06.,12.50 Uhr
TRAILER
Der Film zeigt offenbar, dass es bei dieser KSZE -Verhandlung 1975 ernsthaft um diplomatische Bemühungen zwischen den Großmächten ging und dieses wichtige Thema scheint ja auch noch sehr unterhaltsam aufgearbeitet worden zu sein. Wir schauen mal, ob wir den Film noch im Kino erwischen.