Und hier will ich nicht Helene Fischer zitieren, sondern das Gefühl, das „Victoria“ vermittelt, beschreiben. Der neue Film von Sebastian Schipper, der schon heimlicher Anwärter auf den Goldenen Bären der diesjährigen Berliner Filmfestspiele war, ist der Knaller! Von Anbeginn schafft er es, den Zuschauer in einen Sog zu ziehen und bis zur letzten Sekunde durch temporeiche Narration nicht mehr loszulassen. Dabei gibt es weder Drehbuch noch Schnitt. Die zwei Stunden vierzehn Minuten sind in einem Take gedreht.
Die story ist schnell erzählt: Victoria ist aus Madrid nach Berlin gekommen, um hier ein Leben auszupobieren, das sie bis dato nicht kennt. Zuhause war sie Musikkonservatoriumschülerin mit unendlichen Übungsstunden und hartem Training. Das alles will sie hinter sich lassen. Wir lernen sie in einem Techno-Club kennen, die Kamera fährt an ihr Gesicht, und sofort tauchen wir ein – ins pulsierende Leben der Stadt und des Films. Beim Verlassen des Clubs sie lernt vier Typen kennen: Boxer, Fussi, Sonne und Blinker. In dem Moment bin erstaunt, dass die zierliche Twenty-something sich auf die Anmache einlässt und den Jungs folgt. Naiv oder nur lebenshungrig? Im Laufe des Abends nähern sich die Desperados an, Sonne und Victoria verlieben sich ineinander, und es passieren Dinge wie ein Autoklau, eine Dachbesteigung und ein Banküberfall. Dazu eine fantastisch komponierte Musik, die sich auch mal in den Vordergrund spielt und die Dialoge verstummen lässt. Ein großartiger Einfall.
Der eigentliche Held des Film ist natürlich der Kameramann Sturla Brandth Grøvlen, ein Norweger. Er heimste auch den Silbernen Bären für seine Arbeit ein. Schipper hatte zuvor nie mit ihm gedreht, kannte ihn aber aus seinen Schauspielzeiten. Aber auch Laia Costa als Victoria ist die Entdeckung schlechthin. Die Katalanin spielt ihre Figur mit sehnsüchtiger, glücklicher und ängstlicher Mine und wirkt dabei so glaubwürdig, dass auch mir die Tränen kommen als sie weint.
Das Ende soll hier nicht vorweg genommen werden, nur soviel: Der Film erschafft sich seine ganze eigene Welt und Zeit und zurecht atemberaubend.
Am Freitag (19.Juni) hat der Film den Deutschen Filmpreis eingeheimst und trägt insgesamt sechs Lolas nach Hause.
Die Spanierin Laia Costa erhielt für ihre Rolle als Victoria die Goldene Lola, Filmkollege Frederick Lau wurde als bester Schauspieler geehrt. Sebastian Schippers Berlin-Movie gewann außerdem die Preise für beste Regie, Kamera und Musik.
Glückwunsch!
Und hier noch drei O-Töne zum Dreh von Sebastin Schipper, leider ein bisschen leise geraten…
Um die Wege kurzzuhalten, weil ja nur mit einer einzigen Einstellung gedreht wurde, lagen die Schauplätze rech dicht beieinander. Gefilmt wurde im südlichen Teil der Friedrichstraße, nahe des U-Bahnhofes Kochstraße.
PS. 1 Der Regisseur erzählt, dass drei Takes gedreht wurden. Der erste war zu brav, der zweite zu chaotisch, aber der dritte traf ins Schwarze.
PS. 2: Der Film kostete weniger als eine Tatort -Produktion.