Collage Eingang Herrmann Noack Galerie/Selbstportrait Vivian Maier NYC, 1953 (Foto: AS)
Collage Eingang Herrmann Noack Galerie/Selbstportrait Vivian Maier NYC, 1953 (Foto: AS)

Momentaufnahmen der „Streetqueen“

Spätestens seit der Doku über Vivian Maier aus dem Jahre 2013 weißt sicher auch Du, dass sich hinter dem Kindermädchen eine begnadete Fotografin verbarg. Ihre Entdeckung gehörte zu den größten Sensationen der Fotogeschichte, denn sie war als Künstlerin völlig unbekannt, bevor 2007 bei einer Auktion in Chicago Tausende von unbelichteten Negativen auftauchten und ihr Werk später in Bildbänden und Ausstellungen für Bewunderung sorgte.
Inzwischen ist Vivian Maier aus der Street Photography der Fünfziger- bis Siebzigerjahre nicht mehr wegzudenken. In der Schau „Streetqueen“ sind nun knapp 120 Arbeiten zu sehen, die alle Phasen ihres Schaffens beleuchten.

Vivian Maier erblickte 1929 als Tochter einer Französin und eines Österreichers in New York das Licht der Welt. Ihre Kindheit verbrachte sie in einer zerrütteten Familie, was vielleicht auch erklärt, dass sie gerne in heilen und geordneten Verhältnissen arbeitete. Den Nanny-Job übte sie jahrzehntelang, in wohlhabenden Vororten von Chicago, aus. In dieser Zeit entstanden etliche Fotos, von dessen Existenz niemand etwas ahnte, und die Maier auch niemanden zeigte.
Sie arbeitet mit einer Rolleiflex, was den Vorteil hat, dass man von oben hineinschaut und so relativ unbemerkt Fotos schießen kann. Oft nahm sie die zu betreuenden Kinder auch mit auf ihre Streifzüge. Aber sie fotografiert nicht nur, sondern liest und sammelt rege die Zeitungen, oder macht Interviews im Supermarkt, die sie auf Kassetten taped. Eigentlich ist an der eigenbrötlerischen Frau eine Journalistin verloren gegangen. Warum sie sich mal als Spionin, mal als Französin ausgibt, bleibt rätselhaft

Kunstvolle Damenfrisur, NYC 1954 (Foto: Vivian Maier )
Kunstvolle Damenfrisur, NYC 1954 (Foto: Vivian Maier )

Ihre Bilder hingegen sind es nicht, sondern zeugen von Humor, einem präzisen Blick und handwerklich brillantem Können. Leider erkennt sie das Establishment der Kunstwelt nicht als Künstlerin an, und so wurde sie nie aufgemuntert, ihre Arbeiten, die beispielsweise in einem französischen Fotoladen entwickelt und begutachtet wurden, zu präsentieren. Die exzentrische Frau litt später an Verfolgungswahn, verlor ihre Jobs und verarmte in den Jahren vor ihrem Tod zusehends. Glücklicherweise erhielt sie aber Unterstützung von ehemaligen Arbeitgebern, so dass sie nicht als Obdachlose enden musste. Welch ein Schicksal, welch Tragik, welch vergeudetes Talent.

Wir können dem Filmemacher John Maloof noch heute die Füße küssen, dass er die Negative erstand und daraus in wahnsinnig aufwendiger Puzzlearbeit das Leben der Vivian Maier und ihrer Arbeiten in seinem Film für uns hat rekonstruieren können.

Unter den in der Galerie, die seit 2018 existiert, gezeigten Abzügen sind 22 der seltenen Vintage Prints und einige, vor kurzem zum ersten Mal entwickelte Bilder. Eine ganze Serie widmet sich ihren Selbstportraits, die Maier in Spiegeln, Fensterscheiben oder Radkappen festhält. Auch konnte sie fotografisch ein paar Promis auf ihren Rollfilm bannen.
Die gelungene Mischung macht den Besuch an der Spree unbedingt lohnenswert.

Auch die Doku „Finding Vivian Maier“ kannst Du innerhalb der Ausstellung anschauen.

Zudem hat sich die Galerie noch einen X-mas-Coup ausgedacht: Der Kunstdreiklang lädt am Samstag, 11.Dezember, ab 18 Uhr zum Ausstellungsrundgang ein, gefolgt von einem Konzert des Verita Baroque Ensemble, um in einem feinen Drei-Gänge-Menü inkl. Wein im Bistro Bar Brass, gleich nebenan, Ausklang zu finden. Das Event kostet 90 Euro und bedarf ebenfalls einer Anmeldung an unten stehende Adresse.

WO?
Werkstattgalerie Hermann Noack
Am Spreebord 9
10589

WANN?
Öffnungszeiten: Mo – Fr 9 – 16 Uhr, Sa + So 12 – 16 Uhr
bis zum 27.2.2022

SCREENING
Fr, Sa + So um 12.30 + 15 Uhr, eine Anmeldung per Email an: isabella@noack-bronze.com

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