Den Ausgangspunkt bildet Fatma Aydemir wilder Debütroman Ellbogen mit Hauptfigur Hazal Akgündüz, den Regisseurin Aslı Özarslan nun in Bilder umsetzt. In der Eingangsszene erscheint die hübsche, 17-jährige Türkin recht tough: Eine in der Schule inszenierte Vorstellungssituation winkt sie als zu schleimig ab. Nun ist sie an der Reihe, denn auf den von der Mutter eingefädelten Friseurjob, wo sie alten Männern die Haare waschen soll, hat sie keinen Bock. Trotz vieler Bewerbungen erhält sie kaum Einladungen zum Gespräch und wenn, attestiert man ihr Mangel an guter Allgemeinbildung und bietet nur ein Praktikum an. Klar, dass das frustriert.
An ihrem 18. Geburtstag will sie wie in alten Zeiten, als sie und ihre Freundinnen nach den Sternen zu greifen gedachten, solange sie nur zusammenhalten, mit den Mädels feiern. In der Schlange vorm angesagten Club dämmert Hazal, dass sie hier nicht hingehören. Prompt verweigert der Türsteher ihnen den Einlass. Auf dem Heimweg wird das Trio im U-Bahnhof von einem blonden Jüngelchen angemacht, die Situation eskaliert. Hazal flieht nach Istanbul, in eine fremde Stadt. Dort muss sie allein ihren Weg gehen, der sich nicht viel einfacher als der Berliner gestaltet, soviel sei gespoilert.
Die Geschichte von Hazel, die aus der Gesellschaft verdrängt wird und die Karten ihres Lebens neu mischen muss, ist authentisch inszeniert. Der Slang „Isch bin voll glücklisch“ erinnert manchmal an Fack ju Göhte. In Istanbul nimmt der Film neue Fahrt auf. Sie wohnt in einer WG, wo auch politische Themen wie die kurdische Unabhängigkeitsbestrebung („Ist es schön in Mardin?“) oder Erdogans Regime zur Sprache kommen. Allerdings lassen auch hier ihre Aggressionen kaum nach. Und als sie bei einem Treffen mit ihrer älteren, erfolgreichen Schwester gesteht, dass sie keine Reue zeigt, fragt sich der Zuschauer schon, wie ihr noch zu helfen ist. Klar wünscht man sich, dass sie sich ein Leben ohne Hass, mit Leidenschaft und Liebe, die bei ihr vielleicht zu kurz gekommen sind, aufbauen kann. Die Resilienz dazu bringt sie mit. Aber vielleicht fehlt noch die Einsicht, dass auch ein bisschen Disziplin und Konsequenz dazugehören. Dem Plan der Schwester „Das Abitur kannst Du auch im Knast nachholen“ scheint sie jedenfalls nichts abzugewinnen.
Summa summarum hat der – obgleich turbulente – Film seine Längen, schafft es dennoch, Dich intensiv in Hazels Gefühlschaos zu ziehen, die übrigens auf Berliner Straßen gecastet wurde. Der Soundtrack rockt, die schauspielerischen Leistungen überzeugen, und für die Zielgruppe macht der Film Sinn. Nicht umsonst lief er bei der diesjährigen Berlinale in der Sektion Generation 14plus. Das Ende bleibt offen, und Du darfst hoffen.
LÄUFT IN FOLGENDEN KINOS
Open Air am Leopoldplatz
Do, 5.9.24, 20.30 Uhr, Einlass ab 20 Uhr
Eintritt frei
Delphi LUX,
Yva-Bogen, Kantstraße 10,Berlin Charlottenburg
Do, 5.9.- Mi, 11.9.24, je 18.15
Do, 12.9.- Mi, 18.9., je 17.10 und 19.20 Uhr
Filmtheater am Friedrichshain
Bötzowstraße 1-5, Prenzlauer Berg
Do, 5.9.- Di, 10.9.24 16.45
Mi, 11.9.24 16.15Do, 12.9.- Mi, 18.9., je 16.50 Uhr
Kino in der KulturBrauerei Berlin
Schönhauser Allee 36, Prenzlauer Berg
Do, 5.9.24 + Mo, 9.9.+ Die, 10.9.; 16.45
Fr, 6.9.24 + Sa, 7.9.24 17.30
Fr, 13.9.24 23 Uhr
Sa, 14.9.24 22.20
Passage
Karl-Marx-Straße 131, Neukölln
Do, 05.9. – Mi, 11.9.24; 17.45
So, 08.9.24; 18.45
Do, 12.9. -Mi, 18.9.24; je 16 Uhr und 18.15
Sputnik Südstern
Hasenheide 54, Kreuzberg
Sa, 7.9.24, 18.00
So, 8.9.24, 18.15
Mo, 9.9.24, 19.30
Di, 10.9. + Mi, 11.9.24, 19.15 Uhr
So, 15.9. + Mo, 16.9.24 je 17.30 Uhr
Mi, 18.9.24, 19.30 Uhr
Credits
Regie: Aslı Özarslan
Darsteller: Melia Kara, Doğa Gürer, Jale Arıkan, Haydar Şahin, Orhan Kiliç, Jamilah Bagdach, Asya Utku, Mina Sağdıç
Produktion: Deutschland / Türkei / Frankreich 2024
Länge: 86 min