Ausstellungsplakat am Museum (Foto: AS)
Austellungsplakat am Museum (Foto: AS/©VG Bild-Kunst)

Hannah, oh Hannah …

Das Bröhan-Museum widmet sich in diesem Jahr den Frauen, Hannah Höch macht den Auftakt. Du kennst die Künstlerin sicherlich durch ihre Collagen, deren Technik sie mit ihrem damaligen Partner Hausmann quasi entdeckt und als neue Ausdruckskraft einsetzt. Ihre präzise ausgeführten Foto-Collagen setzen sich kritisch mit der politischen und gesellschaftlichen Situation der damaligen Zeit auseinander. Die Dada-Bewegung, der die enorm Talentierte angehört, schleuste Humor und Sinnverweigerung in die Kunst ein und sorgte für eine Verwischung der Genregrenzen.
18889 in Gotha geboren, kommt sie 1915 nach Berlin und absolvierte an der Schule des Kunstgewerbemuseums eine handwerkliche Ausbildung. Über den Künstlerkreis „Der Sturm“ nahm sie den Weg von der Studentin zur Avantgarde Dada Künstlerin, die 1920 der Ersten Internationalen Dada-Messe beiwohnte.
Hannah Höch. Abermillionen Anschauungen“ richtet mit über 120 Arbeiten aus allen Schaffensbereichen den Fokus auf das gesamte Spektrum ihrer Werkes und spiegelt das Bild einer einzigartigen Persönlichkeit wider. Sie gilt zwar als Dada-Ikone, aber gibt auch ein treffliches Beispiel dafür ab, wie Frauen als Impulssetzerinnen der Epochen wirken konnten und widmet sich auch anderen Kunststilrichtungen.
Die Schau ist in acht Bereiche und farbig unterschiedliche Räume aufgeteilt, von Ornament bis Kosmos. Sie illustriert Verbindungen zwischen den Werken Höchs und folgt den Pfaden einer rastlosen, freiheitsliebenden Künstlerin, die zwei Kriege überlebt. Höch wechselt nicht nur formal wie auch inhaltlich die Perspektiven auf die Kunst, sondern auch ihre Lebenspartner (vom verheirateten Mann über Frau bis hin zum zwanzig Jahre jüngeren Partner), Aufenthaltsorte und Künstlerkreise. Hier hat sie Kontakte mit Dada, Expressionismus, Futurismus, Bauhaus oder De Stijl. Immer arbeitet sie freiheitlich, keiner Kategorie strikt folgend, stets mit verändertem Blickwinkel auf die Welt. Es gibt bei ihren Arbeiten oft zwei Dimensionen, die sichtbare und die fühlbare. So verarbeitet sie beispielsweise im Bild „Die Braut“ ihre Beziehung zu Hausmann auf ironische Art und Weise. Komplett verstehen lässt sich ihr Werk vielleicht nicht, aber man kann versuchen, es einzuordnen. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wird ihre Kunst als entartet beschimpft, ausstellen kann sie nicht mehr.

Hannah Höch Porträt Til Brugman 1927 (Kai-Annett Becker/Berlinische Galerie © VG Bild-Kunst, Bonn 2022)
Hannah Höch Porträt Til Brugman 1927 (Kai-Annett Becker/Berlinische Galerie © VG Bild-Kunst, Bonn 2022)

Was jedoch glasklar ist: Die Fülle beeindruckt. Da sind nicht nur Collagen, sondern auch Ölbilder, Aquarelle, Gouachen, Tuschezeichnungen. Ein anmutiges, weniger politisches Beispiel verkörpert beispielsweise das Porträt ihrer niederländischen Geliebten Til Brugman. Steht man weiter weg, wirkt es wir ein Gemälde, nur bei genauer Betrachtung erweist es sich als Collage aus Buntpapier. Höchs Zitat: Ich gehöre nicht zu denjenigen, die das Abstrakte für das Alleinseeligmachende halten …“ trifft hier bestens zu.
Auch findest Du in der gelungenen Ausstellung in Jahresabschnitte gegliederte Informationen zu Hannah Höchs Leben. Unterfüttert mit passenden Schwarz-Weiß-Fotos sind die Eckdaten sorgfältig aufgearbeitet und geben einen kompakten Überblick über das doch sehr bewegte Leben der Tochter aus gutbürgerlichen Kreisen. (Ihr Vater war Freimaurer, ihre Mutter ging dem Beruf der Erzieherin nach). Der letzte dunkelblau-violett gehaltene Raum widmet sich dem Thema Kosmos, auch spannend. Denn Höch beschäftigte sich mit metaphysischen Theorien und setzte sich schon damals mit dem Phänomen Schwarze Löcher auseinander. In ihrem Nachlass wurde Ernst Haeckels Buch „Lebende Kristalle“ gefunden, so ist anzunehmen, dass sie sich in ihrem Gemälde „Kristalle“ (1948/49) von ebenjenem Werk inspirieren ließ. Man fragt sich, ob es irgendwas gibt, was Hannah nicht interessiert.
Last but not least läuft der zehnminütige Film „Jung geblieben“ aus dem Bundesarchiv, der die immer noch aktive 75-jährige in ihrem Wärterhäuschen in Heiligensee beobachtet. Hier überlebte sie die Kriegs- und Trümmerjahre, auch dank des üppigen Gartens, bis zu ihrem Tod 1978. Es macht Spaß zuzusehen, wie sie mit präzisem, geradem Strich in kürzester Zeit Adam und Eva aufs Papier bringt.
Bleibt nur, Kuratorin Ellen Maurer und ihrem Team zu danken, die eine großartige Ausstellung einer wunderbaren Künstlerin mit einem unfassbar vielseitigen Werk auf die Beine gestellt haben.

WO?
Bröhan-Museum
Schlossstraße 1a
14059 Berlin-Charlottenburg

WANN?
Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr
bis 15. Mai 2022

WIEVIEL?
8,- /ermäßigt 5,- € Eintritt
jeden 1. Mittwoch im Monat eintrittsfrei

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert