Helmut Newton in Highheels (Foto: June Newton/filmweltverleih)
Selbstporträt, Monte Carlo, 1993: Newton posiert in Highheels, (©: Helmut Newton, Helmut Newton Estate/Courtesy Helmut Newton Foundation/filmweltverleih)

Newton und die Brüste

Zunächst als Klarstellung: Von Boehms Doku „Helmut Newton- The Bad and the Beautiful“ soll keinesfalls auf die oben erwähnten fraulichen Kurven reduziert werden, aber, … sie spielen im Leben des Fotografens Helmut Newton eine wesentliches Rolle. Grace Jones verrät im Interview mit einem amüsierten Lachen und strahlend weißen Zähnen, dass er ein Shooting mit ihr mangels adäquater Oberweite ablehnte. Sie nahm es mit Humor, und der Guru der Fotografie rief trotzdem aus Versehen wieder an.

Filmemacher und Journalist Gero von Boehm ist als hervorragender Interviewer und großer Menschenkenner bekannt. Newton und seine Frau lernte er bei einem Abendessen in Paris kennen, sie mochten sich auf Anhieb. Über die Jahre gelang es ihm, Junes Vertrauen zu gewinnen und mit ihrem Einverständnis dieses Projekt umzusetzen. Zudem öffnet ihm die Helmut Newton Foundation ihr Archiv und stellte Material wie Kontaktabzüge oder Drehs, die June bei shootings machte, zur Verfügung. Das war für den Film der reinste Segen und macht ihn damit auch extrem spannungsreich, kurzweilig und unverwechselbar.

Du begleitest Klein-Helmut in Samtanzug, der damals noch Neustädter hieß, an die Plätze seiner Kindheit wie den Stadtpark Berlin-Schöneberg und erhältst Einblicke in seine jüdische Fabikanten-Familie zur Weimarer Zeit. Diese Periode, quasi seine Jugend, war bis 1938 für Newton ungeheuer prägend, ständig umgeben von Nazisymbolen und skulpturalen Bildern. Mit Leni Riefenstahl stand er in Korrespondenz, er veehrte und verachtete sie zugleich.

Im Alter von 18 Jahren floh er vor den Nazis nach Singapur, später ging es nach Australien, wo er sich dann in Newton umbenannte und seine spätere Gattin June kennenlernte. Das Duo ergänzt sich hervorragend, sie hält schnell alle Fäden in der Hand.
Gekonnt eingeflochten in die Arbeitsszenen und Berlin-Rückblenden sind Interviews mit den Grand Dames des Schauspiels wie die kluge Isabella Rosselini oder Charlotte Rampling, deren erstes Aktfoto – auch von Newtons Seite – den Anfang zweier großen Karriere bedeutete. Es kommen Modelle wie Claudia Schiffer und Nadja Auermann zu Wort. Letztere wagte es sogar, die Bitte nach einer Nacktaufnahme abzulehnen, zwei Jahre lang herrschte Funkstille …

Newton wird nach einer Odysee durch die Welt zum Star, seine Fotos zu Ikonen. Er war ein Unikat, seine Bilder provozierten häufig. Lösten aber auch kontroverse Diskussionen und Nachdenkanstöße aus. Wunderbar bei der Arbeit mitanzusehen, ist seine Fröhlichkeit, seine Agiliät, seine Kreativität, seine Chuzpe. Bis ins Alter bieb er jung, noch mit 80 zog er beispielsweise los, um passende Plätze zum Fotografieren zu finden.“Ich bin wie ein Hund, der eine Stelle zum Pinkeln sucht“, sagt er von sich selbst.
Mit seinen Bildern prägt er ein neues Frauenbild in der Modewelt, das dem starken Geschlecht enorme Power verleiht. Nicht immer politisch korrekt, aber immer mit einer großen Portion Humor und kraftvoller Ästhetik.

Ein gelungenere dokumentarische Würdigung des Großmeisters der Fotografie, der im Oktober 2020 seinen 100. Geburtstag feiern würde, ist kaum vorstellbar.

Der Film läuft in mehreren Berliner Kinos wie beispielsweise hier:

Rollberg Kino
(Neukölln), Rollbergstraße 70
Do, 30.7. – Mi, 5.8.20, je 15.45 Uhr & So, 9.8., 14.45
Kant Kino, Kantstr. 54
Mo, 3.8. – Mi, 12.8., je 20 Uhr & So, 9.8. zusätzlich 13.30 Uhr
Freiluftkino Hasenheide
Die, 4.8, je 21.15 Uhr
Babylon Kreuzberg, Dresdner Straße 126
So, 9.8., 15 Uhr
FaF, Bötzowstr. 1-5
So, 9.8., 11 Uhr



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