Montage Filmausschnitt ' Schlachthäuser der Modern' mit Regisseur Emigholz (Foto: filmgalerie451/AS)
Montage Filmausschnitt ' Schlachthäuser der Modern' mit Regisseur Emigholz (Foto: filmgalerie451/AS)

Schlachthäuser der Moderne

Regisseur Heinz Emigholz, bekannt durch diverse Filme mit Architektenbezug (wie „Years of Construction“, 2019 oder
Schindlers Häuser, 2007) reist in seiner neuen Doku nach Argentinien, Bolivien und Berlin. Du wirst mitgenommen zu teils monumentalen Bauten, die in den 30er Jahren entstanden. Relativ unbekannten Städte in der Pampa wie Pellegrini, Azul oder Balcarce setzte Architekt Francisco Salamone Denkmäler in Form von Rathäusern, Friedhofsportalen und Schlachthöfen. In den 20er- und 30er Jahren erlangte der südamerikanische Staat durch Viehwirtschaft beachtlichen Reichtum. Dies spiegelt sich auch in den imposanten Bauwerken wider. Ein Schlachthof ist kein funktionaler, flacher Kasten, der sich unauffällig in die Landschaft einfügt, sondern ähnelt fast einem Sakralbau mit Türmen oder schwertartigen Aufsätzen. Dennoch bleibt eine gewisse politischer Propaganda unübersehbar, ein Geist der faschistischen Moderne schwingt immer mit. Nicht selten standen auch von Mussolini in Italien umgesetzte Gebäudewünsche Pate.
In Bolivien realisierte Architekt Freddy Mamani Silvestre innerhalb von fünfzehn Jahren ab 2005 in der Stadt El Alto über sechzig Projekte. Größtenteils verfallen, vermitteln sie einen grellbunten Gruselcharme, zeigt sich doch auch jetzt, wer im oberen und wer im unteren Teil der Stadt wohnte. Schauspieler Stefan Kolosko agiert als Taucher in der Stadt Epecuén, gelegen am gleichnamigen Salzsee, die 1985 nach heftigen Regenfällen im Wasser versank und nur langsam wieder auftauchte. Ein bizarres Szenario wenngleich einzigartig fotografiert, bietet sich hier dem Zuschauer. Zudem proklamiert Kolosko auszugsweise den Text Deutsches Requiem von Borges. Der argentinische Autor kreiert darin einen Erzähler, der die Rolle eines fiktiven KZ-Kommandanten einnimmt und versucht, der Frage nachzuspüren, wie ein gebildeter Menschen dazu kommt, unschuldige Menschen umzubringen, was einem einen Schauer nach den anderen über den Rücken jagt.
Nun geht die Reise nach Berlin, wo auf das Stadtschloss, heute Humboldt Forum, fokussiert wird. Es soll eine Verbindung zwischen Prachtbau und Moderne versinnbildlichen, die ambivalent gelang, wie Architekt Arno Brandlhuber in seinem Kommentar zum Wiederaufbau diagnostiziert. Trotz massiven Widerstands erhielt der Stella-Entwurf den Zuschlag, und der präfaschistische Wilhelminismus ruft bei einem Rundgang durch die Hallen unschöne Erinnerungen wach. Selbst, wenn einiges Inventar vom Palast der Republik, dessen Abriss wir Kanzler Kohl wegen angeblichen Astbestverdachts zu verdanken haben. ins neue Haus übernommen wurde, bleibt ein januskopfartiger Charakter erhalten.
Emigholz erzählt das alles in wie Musik komponierten Bildern, die keiner Kamerafahrt oder eines Schwenks bedürfen. Er beleuchtet auf subtile Weise das Spannungsfeld zwischen Avantgarde und politischer Indoktrination. Ein Film, der seinen Bildungsauftrag aufs Gelungenste erfüllt (der rbb war auch mit im Boot). und der noch lange nachhallt.

ZU SEHEN
Kino Krokodil, Greifenhagener Str. 32, Berlin-Prenzlauer Berg

TERMINE
Fr, 24.3., Sa, 25.3., Fr, 31.3.23 – jeweils 18 Uhr
Do, 30.3.23, 19.35 Uhr

EINTRITT
8,00 € / 6,50 € erm.

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