Selbstbildnis 1881 (©Kunstmuseum Bern)
Hodler Selbstportrait, 1881 (@F. Hodler, Kunstmuseum Bern)

Kein Clown: Ferdinand Hodler in Berlin

Für diese Ausstellung bring Dir etwas Zeit mit, des es lohnt sich, auch das Kleingedruckte zu lesen. Mit Ferdinand Hodler kannst Du einen Maler kennenlernen, der einen bemerkenswerten Aufstieg hinlegt. 1853 als ältestes von sechs Kindern in der Schweiz geboren, wurde er früh mit dem Tod konfrontiert und verliert im Laufe von zwei Jahrzehnten beide Eltern als auch die vier jüngeren Brüder. Bereits in der Jugend widmet er sich dem Zeichnen, malt Landschaftsbilder und freundet sich mit Gertrud Müller an. Die spätere Förderin und Sammlerin steht ihm häufig Modell. Hodlers elegantes Damenporträt der damals 23-jährigen wird dann auch in der Berliner Secession ausgestellt. 1898/1999 als starke Gegenbewegung zum akademischen Ausstellungsbetrieb gegründet, öffnet sich die Schau der internationalen Kunst. Dieser Zusammenschluss der Berliner Avantgarde der Zeit ernannte den gebürtigen Berner gleich 1900 zu ihrem Mitglied. Zunächst von der Öffentlichkeit mehr oder weniger ignoriert, wurde er vor allem von den Kollegen geschätzt. Und auch Galeristen wir Fritz Gurlitt, damals mit Kunsthandlung in der Potsdamer Straße in Schöneberg aktiv und Paul Cassierer interessierten sich für ihn.

Die Retrospektive kann mit über 30, phantastischen Leihgaben glänzen. Allen voran die beindruckenden drei Meter mal einen Meter großen Darstellungen von „Die Nacht“ und „Der Tag“, die sich in der Westhalle der Galerie gegenüberhängen. Ersteres Werk löst 1891 in Genf einen Skandal aus und wird als unsittlich kritisiert: Im Bildmittelpunkt hockt eine verschleierte Gestalt auf einem Mann, dessen Gesicht nicht verzückt, sondern verzerrt ist. Hodler verleiht dem Mann, der aus dem Schlaf schreckt, eigene Züge und will das ganze als Konfrontation mit dem Tod verstanden wissen. Die Öffentlichkeit interpretiert scheinbar anderes hinein.

Hodler, der als Symbolist galt, nahm aber auch eine Vorreiterrolle im Expressionismus und der Abstraktion ein. Er befasste sich in seinen Bildern immer mit den großen Fragen vom Werden und Vergehen, der Beziehung zwischen Mensch und Natur und der ständigen Präsenz des Todes.

Ein energiegeladenes Werk hier ist das Selbstportrait von 1881, das den Nebentitel ‚Der Zornige‘ trägt. (siehe oben) Der Maler bildet sich, seitwärts vor der Staffelei sitzend, mit brodelndem Temperament ab, und man möchte ihm in dem Moment nicht unbedingt selbst begegnen. Das Werk gehört zu den ersten Werken Hodlers, die in Paris ausgestellt wurden.

Ebenfalls eine gute Idee der Schau: Es werden Werke von Zeitgenossen wie Lovis Corinth, Hans Thoma, Walter Leistikow oder Sabine Lepsius präsentiert, was eine gute Einordnung zulässt und zeigt, wie modern Hodler malte.

Du kannst also in wunderbaren Landschaften schwelgen, allen voran der Thunersee, Dich mit Portraits seiner Geliebten, Freunde oder Gefährten auseinandersetzen und in ausdrucksstarken Figurenbildern, die Hodler durch Parallelismus verstärkt, versinken. Mit vielen Gemälden schuf der Schweizer Maler, der im Alter von 65 Jahren in Genf stirbt, Ikonen der Moderne.

„Ferdinand Hodler und die Berliner Moderne“

Adresse:
Berlinische Galerie , Alte Jakobstraße 124–128, Berlin-Kreuzberg

Öffnungszeiten:
Mi bis Mo, 10 – 18 Uhr, dienstags geschlossen

Eintritt:
12 €, erm. 9 €

Ausstellungsdauer
Bis 17. Januar 2022

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