Eingang zum temporären Bauhaus Archiv im Haus Hardenberg (Foto: Anne Schüchner)

Otti Berger gestaltet Textil

Die Ausstellung Otti Berger. Stoffe für die Architektur der Moderne ist eher eine Installation, in der Du eine neue Videoarbeit von Judith Raum zu Bergers Arbeiten und zwei großformatige, eigens für die Schau gestaltete und von Katja Stelz nachgewebte Wandstoffe entdecken kannst. Der schwarz-silberne Stoff ist doppelt gewebt und kann den Schall dämpfen. Otti Berger hatte ihn für Flugzeugkabinen entworfen. Zudem ist er robust und abwaschbar. Der zweite, hellere Stoff ist eher für den privaten Gebrauch gedacht, Berger hatte ihn für die Hinterleuchtung vorgesehen.

Otti Berger (1898–1944), gebürtige Kroatin, ging in den 1930ern Berlin, wo sie Stoffe kreierte, die das Verständnis von dem, was Textilien sein können, grundlegend veränderten. Sie arbeitete ganz emanzipiert schon damals europaweit für verschiedene Auftraggeber*innen und sicherte sich diverse Patente. Für die Gestaltung ihrer Möbelstoffe, Vorhänge oder Wandstoffe kooperierte sie mit Architekt*innen des Neuen Bauens wie Lilly Reich oder Ludwig Hilberseimer. Beispielsweise entwarf sie auch die Stoffe für Hans Scharouns Haus Schminke, 1933 für den gleichnamigen Teigwarenfabrikanten in der Oberlausitz erbaut. Ihre Entwürfe sollten den neuen Ansprüchen des Gebrauchs folgen und das Zusammenspiel von Ästhetik und Nutzen neu definieren.

Die Ergebnisse überzeugen bis heute elegant, zeitlos und funktional. Bergers textiles Werk ist bislang nur wenig erforscht. Judith Raum (*1977), bildende Künstlerin, unternimmt nun den Versuch, Komplexität und Schönheit Bergers Gewebe darzustellen und ihm neues Leben einzuhauchen. Gemeinsam mit dem Bauhaus-Archiv und Weberin Katja Stelz hat Raum die Stoffe analysiert. Der Forschungsprozess führte nun zu dem wunderbar illustrierten Buch Otti Berger. Weaving for Modernist Architecture, das Bergers Schaffen umfassend darbietet. Es wurde von Jakob Kirch aus Dresden gestaltet.

Die bildende Künstlerin Judith Raum spricht zur Vernissage ein paar Worte (Foto: Anne Schüchner)

Zu erleben ist nun die eigens für den Ort konzipierte Installation von Judith Raum, die Otti Bergers Werk sinnlich erfahrbar macht. Die in Berlin lebende Künstlerin Raum hat weltweit Dokumente und Stoffproben untersucht und sie in Beziehung gesetzt. Die Videoarbeit verdeutlicht Bergers Kompromisslosigkeit in ihrem Qualitätsanspruch. Auch ihr berufliches und privates Schicksal als Jüdin während der NS Diktatur wird thematisiert.

Geboren in Zmajevac, studierte Berger von 1921 bis 1926 in Zagreb, ab 1927 am Bauhaus in Dessau. Nach ihrer dortigen Lehrtätigkeit machte sie sich 1932 in Berlin selbstständig und entwarf innovative Stoffkollektionen für den Innenraum. Als Jüdin erhielt sie dann 1936 Berufsverbot. Leider scheiterten Fluchtversuche nach England und in die USA und sie wurde, als sie ihre kranke Mutter in Kroatien betreute, von dort nach Auschwitz deportiert und 1944 ermordet. 

Die Ausstellungsinstallation spürt auch Bergers humorvollen Temperament nach, und Du kannst Dich auf verschiedenste narrative Fäden, die hier gesponnen werden, einlassen.

LOCATION
the temporary bauhaus-archiv (im Haus Hardenberg)
Knesebeckstraße 1, Berlin-Charlottenburg
Montag–Samstag, 10–18 Uhr
Eintritt frei

VERNISSAGE
Do, 14.3.24, 18.30 Uhr

LAUFZEIT
15.03.-24.08.2024

ÖFFNUNGSZEITEN
Mo-Sa 10-18 Uhr,
sonn- und feiertags geschlossen

BUCHVORSTELLUNG
Do, 11.04.2024, 18.30 Uhr
Es erscheint in Englisch und in Englisch mit einem deutschsprachigen Beileger und ist ab dem 25. März im Handel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert